Die Forbes Listen – Hitparade des Sozialdarwinismus
Das Forbes Magazine ist eins der erfolgreichsten Wirtschaftsmagazine der Welt. Seit 1917 bietet das Medium eine Plattform für Ranglisten, die Menschen mit großer Freude nach Gehalt und Macht ordnen. Gerne wird bei dieser Auflistung auch das Geschlecht differenziert. Das macht viel Sinn, denn so wird der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen nicht gleich auf den ersten Blick deutlich und lenkt unnötig vom Inhalt der Liste ab. Es geht bei den Ranglisten schließlich nicht darum, sozialkritische Themen anzustoßen oder wirtschaftliche Entwicklungen zu hinterfragen.
Demnach lässt sich der Inhalt von 97 Jahre Listenspaß auch schnell zusammenfassen: Raumpfleger, Friseure, Kellner und Zeitungsausträger zählten seit der ersten Ausgabe nie zu den top Verdienern. Natürlich hätte damit auch niemand wirklich gerechnet. Deshalb führt diese Aussage ebenso wenig zu Verwunderung wie die Tatsche, dass Frauen und Männer noch immer nicht gleich vergütet werden, selbst wenn sie das gleiche Tätigkeitsfeld ausführen. Doch warum ist das so?
Weshalb vermisst niemand eine Rangliste der bestbezahltest Müllmänner? Vermutlich weil man sich schlicht damit abgefunden hat, dass bestimmte Berufsfelder nun mal nie ein hohes Ansehen geniessen oder besonders gut bezahlt werden. Statt dem entgegenzuwirken verstärken wir die Situation noch, indem wir unserem Nachwuchs raten, besser Anwalt als Müllmann zu werden. Eine traurige Tatsache, die deutlich macht, dass wir hier schleunigst etwas weiter denken sollten.
Seit Jahren jagt bei Forbes eine schwachsinnige Liste die Nächste. Heute wurden die bestverdienensten Models 2014 gelistet und noch vor ein paar Tagen hatte das Heft die bestbezahltesten DJs bekanntgegeben. Nicht, dass man es den Stärkeren des wirtschaftlichen Evolutionskampfs nicht gönnt, doch was sagen solche Listen über unsere Gesellschaft aus? Welches Wertesystem hat sich in unseren Köpfen verankert, dass die Runde eines Models über den Catwalk ‚mehr wert‘ ist, als die Arbeit einer Frau, die Senioren pflegt? Wie kann ein DJ an einem Abend mehr verdienen als ein Mann, der sich den ganzen Tag auf dem Bau plagt?
Vielleicht hat der Ein oder Andere schonmal darüber nachgedacht den Job als Kassierer aufzugeben, um Fußballprofi oder Formel1-Fahrer zu werden? Grundsätzlich keine ganz blöde Idee! Lukrativer wäre es allemal. Vielleicht kam dem Ein oder Anderen auch schonmal der Gedanke, dass die Vergütungen in einigen Berufsfeldern nicht ganz fair zu sein scheint – unter Leistungsbezogenen-Kriterien betrachtet. Und wer hat sich bei der Fussball-WM nicht wenigstens einmal darüber geärgert, wenn ein Pass nicht vernünftig angenommen wurde? Schließlich bekommt der Typ auf dem Feld einen Haufen Kohle um genau das zu können!
Die Wahrscheinlichkeit auf eine ‚gerechte‘ Vergütung scheint ähnlich hoch wie ein 6er im Lotto.
Vergütet wird nach Leistung. Jedoch muss man zwischen der Wirkung einer Leistung und der Erbringung einer Leistung unterscheiden. Wenn ich morgens eine Zeitung pünktlich ausliefere, dann habe ich zwar eine Leistung erbracht, doch außer der Erfüllung meiner Arbeit habe ich nichts ‚erwirkt‘. Wenn allerdings Heidi Klum eine Zeitung ausliefern würde, wäre die Wirkung sehr wahrscheinlich eine Andere. Der Leser wäre vor Begeisterung völlig aus dem Häuschen (beim normalen Boten hätte er sich nie so gefreut. Da war die Erbringung der Leistung eine Selbstverständlichkeit). Allen Menschen in seiner Umgebung würde er von diesem Erlebnis berichten. Die Reputation der Zeitung und die der Zustellerfirma würden wahrscheinlich steigen. Sicher würde Heidi auch nichts liefern ohne dabei gebührend von einem Kamerateam begleitet zu werden. Das schafft Arbeitsplätze und kurbelt somit die Wirtschaft an. Was auch immer sie beim Zeitungsaustragen trägt, jeder Modeblogger wird sich danach damit beschäftigen – eine unschätzbare PR für das Label. Das sind nur wenige Beispiele, die verdeutlichen, weshalb die Leistung von Heidi, aufgrund ihrer Auswirkungen, am Ende mehr Geld ‚wert‘ ist als die Leistung von Uschi Meier, der sympathischen Zeitungsbotin aus Brandenburg.
Dies ist der Anfang vom Ende der Chancengerechtigkeit. Durch ihre Leistung hat Heidi realistisch gesehen die besseren Chancen, wodurch sie mehr Geld verdient. Mehr Geld bedeutet in unserer Gesellschaft oft auch mehr Macht (eine Gleichung, die man ebenfalls überdenken darf). Wer ‚Macht‘ hat, dem bietet sich die Möglichkeit auf das Denken von einzelnen Personen und sozialen Gruppen einzuwirken. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb der Teufel immer auf den dicksten Haufen kackt. Hat diese Eskalationsspirale einmal begonnen, ist sie nur schwer zu stoppen.
„Es ist in den letzten 20 Jahren schwerer geworden, aus Einkommensarmut oder weniger privilegierten Lebenslagen herauszukommen“, sagt auch Gert G. Wagner, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier mit dem zweifelhaften Talent, sich im Laufe der Zeit mit allem abzufinden. Bestehende Unzufriedenheit wird durch meckern abgebaut, doch gehandelt wird selten. Die Bereitschaft für Veränderung zeigt sich oft erst, wenn es keine anderen Alternative mehr gibt. Ein weiteres Problem in unserer Gesellschaft ist die mangelnde Durchlässigkeit. ‚Vom Tellerwäscher zum Millionär‘ ist keine repräsentative Erfolgsgeschichte. Statistisch gesehen entscheidet die soziale Herkunft über den beruflichen Erfolg (vgl. M.Hartmann:“Mythos von den Leistungseliten“, 2002). Niemand, der seine Finanzen in trockene Tücher gepackt hat, ist wirklich an einer gerechteren Um- oder Neuverteilung interessiert. Wir handeln alle noch zu Ego-zentriert und sind zu stark auf den eigenen Vorteil bedacht. Dadurch haben wir keinen klaren Blick auf die Gesamtsituation. Unsere Politiker sind dafür ein schönes Beispiel: Sie wollten sich ihre Diäten erhöhen – Leistungsunabhängig, ohne Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der wachsender Armut in der Bevölkerung. Doch wenn selbst Politiker, die die Bedeutung von ‚zum Wohle des Volkes‘ verstanden haben müssten, nicht entscheiden können ohne dabei an ihren persönlichen Vorteil zu denken – wie will man solche Entscheidungen von Menschen erwarten, die am Existenzminimum leben? Laut Handelsblatt gilt bereits jeder siebte in Deutschland als einkommensarm oder ist von der Armut bedroht.
Dabei trägt zur steigenden Kluft zwischen arm und reich jeder Einzelne seinen Teil bei! Die Vermögenden zu beschuldigen ist eine Milchmädchenrechnung. Selbst wenn sie sich unverhältnismäßig bereichern, sind diese egoistischen Verhaltensweisen beim aktuellen Stand von Bewusstsein repräsentativ dafür, wie die Mehrheit der Menschen denkt und handelt. Sicher wäre es wünschenswert, wenn Menschen in führenden Positionen über genügend Weisheit und Selbstlosigkeit verfügten zum Wohle der Allgemeinheit zu handeln. Doch Hand aufs Herz: Wer von uns hat jemals um eine Lohnminderung gebeten oder eine Lohnerhöhung freiwillig abgelehnt? Auch Top-Verdiener arbeiten für ihr Geld – wie hart dass in der Relation sein mag, spielt dabei keine Rolle.
Interessant ist jedoch die Tatsache, dass die unteren Gesellschaftsschichten sich dies gefallen lässt! Mehr noch: Sie nehmen die Opfer-Rolle an und fördern durch eine passive Haltung sogar bestehende Ungleichheiten. Um dies zu verdeutlichen kommen wir wieder auf das Klum-Beispiel zurück: Wem hat sie ihr Einkommen zu verdanken? Nicht ausschließlich den elitären Personengruppen, sondern in erster Linie dem kleinen Mann, der ihren Personenkult fördert. Wer Produkte kauft, die für sie werben (oder für die sie wirbt) steigert ihren Marktwert. Selbst Fernsehzuschauer, die ihre Sendung nur nebenbei laufen lassen, wenn nichts bessere kommt zahlen indirekt ihre Miete und ihren Manager gleich mit. Daran ist nichts Verkehrtes, doch wem das nicht gefällt, der muss es lassen! Denn durch dieses Verhalten entsteht Nachfrage, auf die der Markt lediglich reagiert. Ob man das nun ungerecht findet oder nicht, so funktioniert unser aktuelles Wirtschaftssystem. Der überbezahlte Firmenmanager kann nur ein Produkt platzieren, wenn ihr es wollt – wenn ihr es nicht mehr wollt, wird er es nicht mehr produzieren wodurch der Manager schon sehr bald nicht mehr überbezahlt sein könnte. Ein Industriezweig kann nur boomen, wenn Nachfrage besteht – und die Nachfrage kreiert ihr!
Doch zur Zeit scheint zumindest die Nachfrage zu steigen. Nicht wirklich verwunderlich, wo doch Konsum eine beliebte Ersatzbefriedigung ist, um bestehende Unzufriedenheit für einen kurzen Moment zu kompensieren. Selbst wenn keine Nachfrage für ein Produkt besteht, sind Menschen so suggestiv, dass sich mit guter Werbung leicht Nachfrage schaffen lässt. Deshalb geht es den Bürgern auch dann noch schlecht, wenn es der deutschen Wirtschaft eigentlich ganz gut geht. Daher gibt das Bruttoinlandsprodukt mittlerweile auch keine zuverlässige Auskunft mehr über die reale Wirtschaftskraft dieses Landes – das Bruttosozialprodukt hingegen schon. „Das Land schafft Arbeitsstellen – ich habe drei davon!“, ist kein schlechter Witz, sondern traurige Realität. Alles drei Jobs werden gebraucht um die Ersatzbefriedigungen zu finanzieren, durch die die Nachfrage weiter steigt. Das hält die Konjunktur scheinbar stabil – mit verheerenden Folgen.
Wer dieser Entwicklung und der daraus entstehenden sozialen Ungleichheit entgegenwirken möchte MUSS lernen bewusster zu konsumieren. Kauft nur Produkte, die euch etwas ‚wert‘ sind! Denkt überhaupt mal darüber nach, was euch etwas ‚wert‘ ist und was ‚Wert‘ überhaupt für euch bedeutet. Schaut Sendungen nicht nur um anschließend darüber zu lästern. Gestaltet die Quote aktiv indem ihr lediglich Programme schaut, die euch WIRKLICH gefallen. Kein Applaus für Scheiße. Bundesliga gut und schön, doch solange ihr euch für Bayern mehr interessiert als für euren 1.FC Dorfverein werden die Bayern-Jungs auch mehr verdienen als ihr im Büro. Niemand, der Fussballfernsehen sieht darf sich über zu hohe Spielergagen aufregen, denn ihr macht diese ermöglich!
Unternehmer sollten sich ehrlich fragen, wie realistisch ein exponentielles Wachstum tatsächlich ist? Wie viel Sinn macht es, endlos in den Markt hinein zu verkaufen? Ist das Cover von Forbes wirklich erstrebenswerter als langfristige und nachhaltige Alternativen? Leistungsdruck und Ranglisten verführen zu Marketingstrategien, die sich im Nachhinein oft rechen. Ohne Konsum würde das bestehende Wirtschaftssystem zusammenbrechen. Doch statt bereits jetzt über Umstrukturierung nachzudenken, versuchen die meisten Firmen mit aller Gewalt die Konsumgesellschaft aufrechtzuerhalten. Rein logisch ist es unmöglich den Grad der Sättigung endlos auszureizen, doch auch ihr besteht scheinbar erst dann die Bereitschaft zur Veränderung, wenn es keine anderen Alternativen mehr gibt.
Wäre Deutschland ein Kind, dann wären wir eine sehr fettes Kind. Ein Kind, welches kurz davor steht zu platzen. Wir haben überproduziert und überkonsumiert – in fast allen Bereichen. Wir haben wahllos in uns reingestopft ohne nachzudenken. Nun werden wir die Opfer unserer eigenen Fettleibigkeit. Genau wie bei einer Diät müssen wir jetzt lernen zu verzichten. Fühle ich mich als Pflegepersonal unfair vergütet im Vergleich mit einem Top-Model? Dann guckt diese Sendungen nicht! Ihr seid es, denen Top-Models ihre Gage zu verdanken haben. Würdet ihr euch nicht für sie interessieren, würden sie nicht mehr verdienen als ihr! Findet ihr es scheiße, dass P.Diddy ein geileres Auto fährt als ihr? Dann kauft seine Alben nicht. Wie bitte? Ihr findet die Musik aber geil? Okay, dann kauft halt weiter seine Alben aber vielleicht nicht unbedingt die P.Diddy Kuschelbettwäsche, die US-Tour auf DVD, das P.Diddy Parfum und das lebensgroße P.Diddy Fanposter. Alles in Maßen nicht im Massen.
Und um Himmelswillen kauft bitte keine scheiß Magazine mit dämlichen Ranglisten von überbezahlten Menschen, um euch von deren Lebensstandard beeindrucken zu lassen. He is a rich mof***er – so what?!
Sehr tiefe Einblicke