Die Polizei, mein Freund und Hausbesetzer

Liebe Berliner Polizei,

offensichtlich kennen sie auch die A-B-C-Interviewtechnik, und haben (ebenso wie ich) eine Vorliebe, auf unangenehme Fragen mit Thomas Mann artigen Schachtelsätzen zu antworten, immer in der Hoffnung, dass der Gegenüber inhaltlich den Faden verliert noch bevor man zum Punkt kommt. Schön! Aber im ‚Menschen in Trance quatschen‘, haben sie mit mir leider einen Meister gefunden. Das hat wohl auch der nette Beamte sofort bemerkt, als ich begann ihn ins Verhör zu nehmen.

Bild: Banksy

Bild: Banksy

„Wohnen sie auch hier?“, fragte ich den jungen Polizisten, der auf Zehnspitzen auf einem Stuhl stehend durch das Dachfenster unseres Hausflurs schaute. Etwas verdutzt guckte er mich an, bevor er mir die Antwort gab, die ich eigentlich schon wusste. Seit mehreren Monaten lungerten die Cops nämlich schon bei uns im Haus rum, und seit mehreren Monaten ging mir das schon auf den Sack. Seit mehreren Monaten beschäftigte mich die ein oder andere Frage, wie z.B. ob die Videoaufnahmen, welche sie von unserem Fenster aus aufzeichneten, wohl kulturell-künstlerischen Anspruch haben, oder ob es ihnen wohl große Umstände bereiten würde, die Kippenstummel, die sie auf dem Fussboden verteilten, nach Feierabend wieder aufzusammeln.

Bild: Banksy

Nachdem ich mit meinen Fragen durch war (und aufgrund der Körpersprache meines Gegenübers habe ich berechtigte Zweifel, dass der Einsatz in meinem Hausflur ganz rechtens ist), machte mich der höfliche Beamte noch darauf aufmerksam, dass ich in einem „kriminell schwer belasteten Bezirk“ wohne. Keine Ahnung, ob er damit jetzt auch noch andeuten wollte, dass es doch eigentlich mein großes Glück sei, dass er jetzt hier für Recht und Ordnung  sorgt?! Jedoch bin ich auch in diesem Punkt wieder nicht ganz einer Meinung mit dem Hüter von Gesetz und Ordnung, denn ich finde wirklich nicht, dass ich in einem ‚kriminell schwer belasteten Bezirk“ wohne!!! Alles Bestens hier! Die Leute sind nett und hilfsbereit. Das gilt übrigens auch für die Dealer, die einen in Ruhe lassen, wenn man nichts kaufen möchte (deren Lebensbedingungen hier, sowie die menschenunwürdige Art und Weise, wie sie vermutlich in dieses Land geschifft wurden, ich übrigens sehr viel krimineller finde, als den Tatbestand, dass sie hippe Szeneberliner mit Kiffe versorgen). Deshalb würde ich es wirklich begrüßen, wenn ihr und die einschlägigen yellow-press-Medien endlich damit aufhören würdet, mir suggerieren zu wollen, wie asozial Kreuzberg ist!

„Die Polizei dein Freund und Helfer“, soweit zur Theorie. Doch sind wir mal ganz ehrlich: Wie lange ist das her, dass wir wirklich Freunde gewesen sind??? Wann habt ihr uns das letzte Mal geholfen?

Dabei könnte doch alles so gut zwischen uns laufen! Erinnert ihr euch noch, als ich Anfang Zwanzig war, und mein Geld grade so für einen 2er Golf reichte, aber leider nicht für Bremsen oder Winterreifen. Wem bin ich da hinten drauf gerollt? Euch. Und nachdem ich so bitterlich angefangen habe zu weinen (war aber auch ein scheiß Tag! Unter allen Verkehrsteilnehmern musste ich ausgerechnet euch drauf rollen), da seid ihr so rührend verständnisvoll gewesen, und habt mich fahren lassen. Einfach so… Ich werde euch das nie vergessen! Obwohl ihr für mich, als sehr linkes Mädchen, schon ziemlich früh zur Verkörperung der dunklen Seite der Macht wurdet, war unser gegenseitiger Umgang, und unsere gelegentlichen Zusammentreffen, stets von Respekt und Verständnis geprägt. Auf wie vielen Demos standen wir uns jetzt schon Gegenüber? Ihr musstet jedes Mal lachen, wenn ich euch darauf aufmerksam machte, wie schade es doch ist, dass wir uns immer nur unter diesen Umständen begegnen. Bild: Banksy

Unser vorbelastetes Verhältnis ist also wirklich nichts persönliches. Trotzdem finde ich, dass die Rolle der Polizei in unserer Gesellschaft vielleicht noch mal überdacht werden sollte! Seit ihr nun für oder gegen das Volk? Steffen, der junge Beamte in meinem Hausflur (ja, ich bin nicht nur gut im Leute zuquatschen, ich bin auch gut darin, Funkverkehr zu belauschen), dachte anfangs ernsthaft mein Problem sei die Lärmbelästigung durch seine Anwesenheit. Aber Steffen, jetzt mal ganz ehrlich, die Dope verkaufenden Afrikaner pinkeln mir vor lauter Angst in den Keller wenn sie sich vor euch verstecken (Ja, die einen stehen im Keller, die anderen im Dachgeschoss. Günther Oettinger würde sagen: „We are all sitting in one boat„), da kommt es auf den Lärm durch deine Anwesenheit auch nicht mehr drauf an. Was mich wirklich beschäftigt ist die Frage: Was ist illegaler? Drogenverkäufer oder Polizisten, die unbefugt in Häusern rumlungern, um Videomaterial zu sammeln, dessen Zulässigkeit vor Gericht ich stark bezweifle? Da sagt doch irgendwie der eine Esel zum anderen Langohr! Solltet ihr nicht mit vorbildlichem Verhalten vorangehen, und so krumme Dinger unterlassen? Feuer mit Feuer zu bekämpfen ist nicht immer richtig! Jemanden, der von mir ein bestimmtes Verhalten verlangt, ohne die Bereitschaft zu zeigen, mir dieses Verhalten selbst vorleben zu wollen, den kann ich wirklich nicht ernst nehmen! Da bröckelt doch die Integrität!!!  Wenn es um „Legalität“ geht (wie auch immer man diesen Begriff definiert), sollte dann die Polizei nicht mit gutem Beispiel vorangehen?

Erst heute habe ich in der Berliner Morgenpost gelesen, dass ihr echte Nachwuchssorgen habt. Irgendwie hat keiner so richtig Bock Polizist zu werden, und das sollte euch zu denken geben. Euer Image ist offensichtlich nicht viel besser, als das der Marihuana-Verkäufer im Görli! Wer im Schlachthaus sitzt, sollte also nicht mit Schweinen werfen. Vielleicht denkt ihr in einer ruhigen Minute bitte mal drüber nach.

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